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Das gibt 36.850; — dazu mehrere tausend weniger prononzierte Literatur, wodurch 40.000 erreicht, wenn nicht überschritten wird. Dazu dann die tausenden kleineren Sachen. Dabei sind mehr als 10.000 verschiedene Zeitungen und Zeitschriften, von denen teils einzelne Nummern, teils sehr viele oder alle Nummern, manchmal ganze Kisten voll, vorhanden sind; diese bewirken eben die ungeheure räumliche Ausdehnung.“ 51
Die „Geschichte der Anarchie“
Max Nettlaus historiografisches Hauptwerk ist seine ab 1925 erschienene Geschichte der Anarchie. Mit dem auf sieben Bände angelegten Werk, von dem zu Lebzeiten des Autors nur die ersten drei Bände erschienen sind, hat Nettlau das Fundament für eine umfassende und international ausgerichtete Geschichtsschreibung des Anarchismus geschaffen, von dem in der Folgezeit die Anarchismusforschung außerordentlich profitiert hat.
Obschon Nettlau im Titel seines Werkes den Begriff der „Anarchie“ 52 und ihrer Geschichte in den Vordergrund stellt, konzentrierte er sich doch eher auf die Untersuchung der ideologischen und organisationshistorischen Aspekte des modernen Anarchismus. Nur geringes Interesse zeigte er dagegen für die zu seinen Lebzeiten sich entwickelnden Ansätze der anthropologischen und ethnologischen Anarchieforschung. Diesen Forschungsansätzen, die seit den 1920er Jahren insbesondere im englischen, später auch im französischen Sprachraum, von der Vertretern der Sozial- und Kulturanthropologie aufgegriffen und im Rahmen von Studien vorstaatlicher anarchischer Ethnien vertieft werden sollten, stand Nettlau ausgesprochen skeptisch gegenüber. Im ersten Band seiner Geschichte der Anarchie warnte er insbesondere vor der marxistischen Interpretation dieses anthropologischen Forschungsansatzes:
„Ohne diese Werke, in denen die anarchistische Auffassung zum Ausdruck kommt, als fehlerlos hinstellen zu wollen, sei jedenfalls vor marxistischen Schriften über Urgeschichte 53 als Richtschnur gewarnt. Die aus relativ
51._Zit. n. Hunink: Das Schicksal einer Bibliothek (wie Anm. 28), S. 10.
52._An anderer Stelle definierte Max Nettlau den Begriff „Anarchie“ als die „Verwirklichung des freien Lebens einer geistig, moralisch und materiell befreiten Menschheit“ (Max Nettlau: Élisée Reclus. Anarchist und Gelehrter [1830-1905], Berlin: Verlag „Der Syndikalist“, Berlin 1928, S. 5.)
53._Max Nettlau bezieht sich in seiner Warnung vermutlich auf marxistische Darstellungen wie die von Friedrich Engels 1884 veröffentliche Schrift Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats. Im Anschluss an Lewis H. Morgan’s Forschungen, mit der Engels die anthropologische Möglichkeit des auch von ihm und Marx – zumindest theoretisch – angestrebten Ziels der Geschichte, der Aufhebung der Herrschaft von Menschen über Menschen, anhand vorstaatlicher Gesellschaften zu demonstrieren versuchte. Doch bereits zu Nettlaus Lebzeiten gab es auch libertäre Forscher, die sich – wie beispielsweise Pjotr A. Kropotkin oder der französische Ethnologe
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